Montag, 12. Oktober 2015

Zervreilahorn – Braveheart 6c


Schon seit Erscheinen des Extrem Ost Führers schiele ich auf diese fünf Sterne Route. Aber irgendwie klappt es nie. Valery meint, dass es für einen Tag viel zu weit sei, aber zwei Tage am Stück muss man erst mal haben. Da ich die diesjährige Klettersaison aber unbedingt mit einem schönen Projekt abschliessen will, dränge ich weiter auf die Route. Mittlerweile ist es Mitte Oktober und die Nächte sind so kalt, dass Valery auch keine Lust mehr auf biwakieren hat, und schliesslich einem Eintäger zustimmt. Um halb 5 geht’s also in Zürich los, durch schwärzeste Nacht 2h15 bis zum Parkplatz am Zervreila Stausee. Um halb 9 sind wir am Einstieg. 4h Tür bis Einstieg sind schon verdammt viel, aber eigentlich auch nur eine Stunde mehr als an die Graue Wand, ins Rätikon oder in die Wendenstöcke. Eigentlich könnte es nun losgehen aber eine Wolke verdeckt die noch tiefstehende Sonne. Die Temperatur ist um die 0 Grad, der Fels eiskalt. Keine Chance auf schwierige Kletterei. Wir essen, warten und machen Aufwärmübungen. Langsam kommt die Sonne durch und Valery steigt um 9 Uhr 15 in Länge 1 ein.

 

1.SL – 6b. Nach einem etwas komischen Einstieg kommt eine lange Piazschuppe. Recht grosse Griffe und immer wieder ein guter Trittmachen das ganze aber doch recht leicht.

 

2.Sl – 6c. die plattige Linksquerung geht gut, ebenso die beiden folgenden Aufschwünge. War das schon die 6c Stelle? Nein, die scheint jetzt zu kommen. Ein guter Rastpunkt zum klippen. Die nächsten 3m habens aber in sich. Ein kleiner Riss zieht durch die kompakte Platte nach oben, der nach links drei schlechte, runde Fingerkuppen-Seitgriffe bietet. Sonst nix. Die Füsse müssens also richten. Und genau hier beginnt mein Problem. In Erwartung von Risskletterei jeder Breite habe ich meine super gräumigen Sportiva TC Pro Schuhe mit ihrer dicken unsensitiven Sohle an. Kombiniert mit eisigen Zehen fühle ich so gut wie gar nichts und habe ständig das Gefühl abzurutschen. Schlechte Perspektive für einen Reibungsaufsteher fast ohne Griffe. Immer wieder setze ich an, und kletter wieder ab. Für einen kontrollierten Zug müsste ich die Füsse wesentlich höher bekommen, aber es hält einfach alles nicht. Schliesslich versuche ich es mit einem Dynamo an den Henkel oberhalb des Risses. Ich komme zwar hin, aber der Henkel ist leider gar keiner sondern ein Sloper und schon rutschen mir die Füsse weg, Abflug. Valery beschwert sich mittlerweile über seinen unbequemen Hängestand und ich greife schliesslich in die Schlinge. So ein Scheiss. Im Nachstieg steigt Valery die Stelle mit seinem extra kleinen Miuras recht easy durch und sagt man müsse einfach gut auf Reibung antreten. Tja. Hatte ich mir auch gedacht.

 

3.SL – 6b A0/7a+. Wieder eine plattige Länge, diesmal ist aber der Plattenliebhaber dran. Bis zum letzte Bolt ist es schon mal nicht ganz trivial. Valery bedient sich um Vorstieg der Pendeloption zur Kante. Ich versuche es im Nachstieg direkt. Mit viermal Hängen, Schauen und Tritte markieren geht’s irgendwie.

 

4.SL – 6c. Erst einmal ein mühsamer weil etwas heikler Aufsteher auf die schmale schiefe Rampe. Nicht wirklich schwer aber wenn man hier fällt, geht’s zwei Meter direkt aufs Band. Ich zitter mich hoch. Der folgende Riss ist zwar geschlossen, eine kleine Schuppe rechts davon bietet aber genug Griffe zum Piazzen. In der  Mitte werden die Griffe kurz recht klein, dann ist aber schon vorbei.

 

5.SL – 6b. Eine eindrückliche steile Verschneidung stellt sich in den Weg. Versehen mit scharfen Splittercracks ist der erste Überhang aber kein Problem. Nun steht man unter einem kleinen Dach und muss irgendwie nach rechts ums Eck. Auch im Nachstieg recht schwer. Hat man aber erst mal den Fuss oben auf der Leiste, geht’s gut. Danach eine feingriffige Balance Querung nach rechts und etwas Wandkletterei an Löchern und Kristallen.

 

6.SL – 6c. Amerikanisch anmutende Kaminverschneidung. Valery freut sich nicht vorsteigen zu müssen und ich bereite ihn schon mal auf eine etwas längere Standphase vor. Die Seillänge bietet so ziemlich das gesamte Kletterspektrum. Mit einem scharfen Handriss geht es los. hinein in den Kamin. Dieser ist hier noch parallel und mittelbreit so dass man mit Knie-Rücken-Technik eigentlich ziemlich stabil steht. Ich hänge mir mein Zeugs von hinten an die linke Seite des Gurtes arbeite mich langsam höher. Eigentlich geht’s super aber ich weiss nicht recht wohin. Ich erinner mich irgendwo gelesen zu haben, dass man nach links raus müsse. Aber jetzt schon? Die Stelle biete sich an und Gehen würde es schon. Nur in den Kamin zurück käme ich sicher nicht mehr. Ich lege einen kleinen schlechten Cam in der linken Wand und schiebe mich rüber auf die Kante. Und tatsächlich ein wunderschöner Handriss durchzieht die Kante in dem es zügig 5m nach oben geht. Ein Vorsprung rechts vom Kamin lädt zum Spreizen ein und ich gelange zurück in den Kamin, der hier breit genug ist für Rücken rechts und ausgestreckte Beine links. Was fehlt ist eine Sicherungsmöglichkeit. So amerikanisch die Kletterei auch sein mag, wir sind immer noch in der Schweiz. Da muss was sein. Schliesslich entdecke ich den Bohrhaken an der rechten Wand über meinem Kopf (Puh), und zwei weitere 5m und 10m höher oben. Uiuiui. Das wird ein verdammter Runout. Der Kamin wird wieder enger und zudem flaring. Ich versuche es im Kamingrund wo man zumindest einen 3er Cam ab und zu unterbringen könnte. Dafür ist es nun wirklich eng. Rechter Fuss Hell-Toe-Jam linkes Bein Knie. Hält einigermassen aber höher schieben ist mühsam und ich rutsche immer wieder ein Stück ab. Und das jetzt 5m weiter? Panikanflug. Obligatorische Kamine gibt’s in der Schweiz doch gar nicht, es muss irgendwie anders gehen. Ich kletter wieder einen Meter ab und zurück nach aussen zum Bohrhaken. Mit viel Kraft ziehe ich mich um die Ecke auf einen Vorsprung an der echten Wand. Und wieder. Kleine Vorsprünge erlauben ein sicheres Vorankommen in Wandkletterei. Nach weiteren 5 Metern wechselt man nach links, kurz zurück in den Kamin, spreizen und wieder nach links raus. Dann ein kräftiges Finish an der Kante und Mantle zum Stand. What a pitch. Onsight. Dafür aber gefühlt eine Stunde gebraucht. Wenn man weiss wies geht und weniger suchen muss sicherlich auch wesentlich schneller machbar.

 

7.Sl – 6b. Easy Kletterei an der Kante und dann nach links zum Stand. Gerade aus gäbe es zwar einen Traumriss aber links öffnet sich nun der Blick auf den Zick-Zack-Riss.

 

8.Sl – 6c. Spektakuläres Schlussbouquet einer genialen Route. Wie ein grosser Blitz führt der scharfe Riss durch die glatte Wand aus rotem Granit. Wahrlich ein Unikum. Perfect Hands im ersten senkrechten Teil und auch in der Querung nach links. Dann geht’s wieder  nach oben und wird breiter. Da ich eh nicht mehr onsight unterwegs bin, gönne ich mir eine kurze unnötige Verschnaufpause. Mut zusammen nehmen hoch antreten und athletisch an die Kante. Noch ein weiterer Schlüsselmove wartet. An der Kante des Risses packen, irgendwie den Fuss hineinstopfen, links auf gar nix antreten und hoch wo der Riss wieder waagrecht wird. Fuss im Riss höher schieben und zum erlösenden Handjam. Ein paar Piazmoves und Jams weiter ist man am Stand. Sehr sehr geil.

 

Die letzte 5c schenken wir uns und seilen 4 Mal durch die Wand ab. 17 Uhr. Lang gebraucht, was aber vor allem auf die Längen 2 und 6 zu schieben ist. Zügig geht srunter zum See und etwas mühsam über den Gegenanstieg zurück zum Auto. 18.50 los, 21 Uhr in Zürich. Bis ich zu Hause bin wars ein 17h Tag. Viel Aufwand für 8 Seillängen Klettern. Aber was für welche. Nicht komplett onsight aber alles in allem doch OK. Gerne wieder. Schliesslich wartet noch die RP Begehung und es locken links und rechts weitere Traumlinien. Was für ein Berg, was für eine genialer Fels. Und das im Reich des Bündner Brösel-Schiefers.