Dienstag, 3. Februar 2015

Japan - Tanigawadake


Nach dem entäuschenden zweiten Tag in Madarao, entschliessen wir uns, noch am Abend nach Tenjin zu verschieben. Für Thomas und Samuel ein leichtes dank ihres kleinen Mietautos – für uns dagegen mal wieder eine beschwerliche Reise mit dem Zug. Besonders schwer wiegt dass wir in Takada in einen früheren Shinkansen Zug den Super-Toki steigen, welcher unter dem gesamten Gebirge durch einen grossen Tunnel fährt. Also wieder zurück, leider erwischen wir nun einen noch schnelleren Super-super-Toki, der bis Tokyo-Omaya gar nicht mehr hält. Wieder umsteigen, wieder zurück. Mit 3h Verspätung kommen wir dann aber auch irgendwann an den kleinen Bahnhof, von wo uns Thomas abholt und zur Freerider-Lodge bringt. Es schneit wieder stark.

Der nächste Tag sollte einer meiner besten Freeride Tage ever werden.

Alle Gäste der Lodge sind nur für eines hier: Powder. Die Atmosphäre ist aber sehr entspannt und gemeinsam werden wir am nächsten Morgen zur Gondel chauffiert. Im Gegensatz zu fast allen Ressorts auf Honshu ist der Berg in Tenjin an der Baumgrenze nicht fertig sondern geht erst richtig los. Der Tanigawadake ist etwa 600Hm höher als der Toplift, und über einen langen Rücken im Aufstieg zu erreichen. Mehrere Gruppen Japaner sind auf dem Weg dorthin. Ohne Ski dafür mit riesigen Rucksäcken und Steigeisen. Gemeinsam mit Dan aus England und Jesper aus Schweden machen wir uns auch auf nach oben. Grossteils folgen wir der Spur der Bergsteiger und tragen die Ski auf dem Rucksack. Nach 10min kehrt Curly um, weil er vor der Abfahrt zu viel Respekt hat, wir gehen weiter. Rechts des Rückens bieten sich grosse offene Faces der Südflanke für Bigmountain Lines an, aber Jesper, der den Winter hier verbringt, bedeutet uns noch zu warten und weiter zu gehen. Am Vorgipfel öffnet sich erstmals der Blick in die noch wildere Ostflanke. Unverspurt und riesig. Die anderen wollen noch zum Hauptgipfel aber ich habe keine Geduld mehr. Während mich Thomas und Jesper vom Vorgipfel beobachten, steche ich in den Hang. Die nächsten 700Hm sind ein einziger Pulvertraum. Kontinuierlich zwischen 30 und 35°, dazu 50cm Powder. Keine Spur weit und breit und dazu breite Ski. Perfekt. Ich fahre alles am Stück bis die Beine fast explodieren. Wahnsinn.

Ziemlich lange muss ich warten bis die anderen kommen, alle mit einem Riesengrinsen. Wir traversieren zur Gondel zurück und fahren wieder hoch. Während die anderen gleich nochmal hoch wollen, warte ich auf Curly und mache mit ihm ein paar Runs unter der Gondel. Weniger spektakulär aber auch in unverpurtem Superpowder.



Es ist mittlerweile 3 Uhr und ich überrede Curly seinen letzten Tag doch noch mit einer unvergleichlichen Abfahrt zu krönen. Gemeinsam gehen wir also nochmal Richtung Gipfel. Kurz vor dem Gipfel holen uns Thomas und Samuel ein, bereits auf ihrer dritten Runde. Gemeinsam gehen wir zur Abbruchkante der Ostwand. 




Curly nimmt die Line, die ich am Morgen gefahren bin, welche mittlerweile aber fast 10 Spuren hat. Thomas und Samuel haben sich ein steiles Spine ausgesucht, welches sie beim zweiten Run ausgecheckt hatten. Ich nehme noch ein Spine weiter rechts. Was folgt ist die vielleicht beste Abfahrt meiner Skikarriere, eine Line wie man sie sonst nur aus Alaska-Skivideos kennt. Auf dem Spine geht es nach unten, 45° mit kurzen stücken ein bisschen steiler. Das Ganze in 1m tiefen Champagne Powder!! Links und rechts rauscht der Sluff in tiefeingeschnittenen Couloirs, aber solange man auf dem Spine fährt kein Problem. Ich sehe Thomas und Samuel 50m weiter links in einer ähnlich exponierten Line. Wir fotografieren uns gegenseitig. Nach einer Weile bricht mein Spine in grossen Cliffs ab, dafür sieht man unten den Ausgang des Couloirs. Unten, ganz tief unten irgendwo sehe ich Curly warten. Ich mache zwei vorsichtige Schwünge und fahre dann die letzten 100Hm des Couloirs fast Stright-Line um vor dem Sluff zu bleiben. Ich schreie vor lauter Stoke. Rechts noch einen Drop mitnehmen, dann noch 2 grosse Full-Speed Turns. Kurz darauf hört man zwei weitere Freudenschreie und Thomas und Samuel kommen angerast. Keiner von uns kann richtig fassen was gerade passiert ist. Aber alle drei sind wir uns einig. Das war the Line of our Life.



Der Stoke hält mehr oder weniger den ganzen Abend an. Immer wieder erzählen wir von der Abfahrt, vergleichen Fotos. Curly macht sich am nächsten Tag auf nach Tokyo um noch zwei Meetings mitzunehmen, bevor wir uns zum Rückflug treffen. Ich hoffe auf noch einen solchen Tag und mache mich wieder mit Thomas, Samuel und Jesper zum Tanigawadake auf. Ich plädiere dafür, noch einmal ein solches Spine zu fahren, doch die anderen wollen die Rückseite des Berges erkunden. Mühsam traversieren wir also mit aufgebundenen Ski die 3 Gipfel des Berges, nur umzusehen, dass es auf der Rückseite doch tatsächlich ein paar Spuren gibt. Heliskier? Die Abfahrt ist Ok aber nicht besonders. 20cm Pulver, eher flach, und deshalb auch viel zu schnell vorbei. Dafür aber umso mehr Schieben um zur Gondel zurückzukommen. 


Vergeblich versuche ich die anderen zu überreden nochmal mit hoch zu kommen. Schliesslich nehme ich die Gondel allein, begnüge mich aber mit 3 Runs im Ressort, die immer noch erstaunlich viel Powder haben, und nochmal einige letzte Faceshots bereithalten. Dann lasse auch ich es gut sein. Danke Japan.




Montag, 2. Februar 2015

Japan - Hakkoda, Charmant, Madarao


Von Aomori nehmen wir früh am nächsten Morgen den Bus zu unserem eigentlichen Ziel, dem Mount Hakkoda. Eine isoliert stehende Vulkangruppe, die wegen der Nähe zum Meer Unmengen von Schnee bekommen soll – anscheinend ein Geheimtipp. Wir checken für 3 Nächte im Hotel neben der Gondel ein, und machen uns bereit. Hier geht alles ein bisschen anders zu. Es gibt nur eine Gondel und man kauft Einzelfahrten und kein Tagesticket. Viele Touristen haben nicht mal Ski dabei, und man sieht Japaner mit riesigen Schwalbenschwanz Snowboards. Niemand hat es eilig. So ähnlich muss es vor 20 Jahren in La Grave gewesen sein – bevor der Freeride Boom einsetzte. An der Bergstation gibt es eine spektakuläre Aussicht auf den Pazifik. Die Bäume sind durch Wind und Schnee zu bizarren weissen Skulpturen deformiert. Man kann sich vorstellen wie es hier bei Schneesturm abgehen muss. 



Leider ist die Schneequalität entsprechend. Im oberen Steilen Teil des Bergs gibt einen harten unebenen Wind-Deckel, mit breiten Ski kaum fahrbar. Im unteren bewaldeten Teil gibt’s zwar noch 20cm Pulver, dafür ist es so flach, dass man eigentlich kaum mehr fahren kann. Verzweiflung macht sich breit… was sollen wir hier 3 Tage lang machen? In den folgenden 3 Tagen versuchen wir verschiedenste Runs auf allen Seiten des Berges, keiner davon wirklich lohnend. Während die geführten Gruppen sich nachher auf der Ringstrasse abholen lassen, stehen für uns ewig lange Traversen im flachen Wald an. Ausserdem zeigt sich mal wieder, dass man bezüglich Conditions einfach niemandem trauen kann, dessen Niveau und Ansprüche man nicht kennt. Fragt man die Amerikaner in der Lodge, wie ihr Tag war, berichten sie von 'awesome untracked powder runs' ... erst auf genaue Nachfrage findet man heraus, dass es sich um Gelände der Steilheit 0-10° handelt.
Immerhin ist das abendliche Onzen – Gemeinschaftsbadebecken statt Duschen – ein kulturelles Erlebnis. Aber wir verbringen den Grossteil der Zeit damit unseren Nächsten Schritt zu planen und Snow-Forecasts anzusehen. Weiter nach Hokkaido? Dort ist es auch überall zu flach und es schneit einfach nicht genug. Zurück nach Myoko? – auch Langweilig. Aus irgendeinem Grund versteift sich Curly auf das Ressort Charmant, nahe Myoko aber noch näher am Meer. Wenn es irgendwo schneit, dann doch dort. Wir machen uns also wieder auf die lange lange Reise nach Süden – diesmal fast 8h.


Um 11 Uhr abends kommen wir Hunde müde in der Küstenstadt XYZ an. Keine Ahnung wo unser Hotel ist, kein Taxi weit und breit. Kann uns jemand helfen? Japaner sind eigentlich nur dann kommunikativ und hilfsbereit wenn sie angetrunken sind. Zum Glück sind zwei von dieser Sorte mit uns zusammen ausgestiegen. Sie kommen zu uns und versuchen mit minimalsten Englisch Kenntnissen eine Konversation anzufangen. Wir erklären dass wir ein Taxi oder ein anderes Hotel brauchen. Grosse Diskussion. Gegenüber gibt es eins und die beiden gehen mit Curly hinein und buchen uns ein Zimmer. Dafür sollen wir aber nun mit ihnen trinken gehen. Wir folgen ihnen in einen Hinterhof zu einer unscheinbaren Tür. Innen ist einiges los, und an jedem Tisch sitzt mindestens eine junge Frau mit verdammt kurzem Rock. Was ist das hier? Die beiden bestellen Getränke und wollen mit uns trinken. Curly erwartet schon KO-Tropfen und versucht sich rauszureden. Eine der Ladies setzt sich zu uns an den Tisch und schenkt uns immer wieder ein. Wir versuchen mit unseren Gastgebern zu radebrechen. Einer scheint immerhin ein Skifahrer zu sein. Wir werfen also die Namen von japanischen Skiressorts in den Raum und ernten jedes Mal ein Ohhhh. Myoko – ohhhh. Hakkoda – ohhhhh. Immerhin ein bisschen Konversation. Die Lady an unserem Tisch – die wohl tatsächlich nur zur Unterhaltung da ist - packt irgendwann ihr Smartphone aus und spricht hinein. Ein App übersetzt das Gesagte und zeigt es auf Englisch an. Auch andersrum funktioniert es und wir können uns so immerhin einen schönen Tag wünschen. Irgendwann machen wir verständlich dass wir schlafen müssen und verabschieden uns.


Am nächsten Tag geht es sehr früh morgens mit dem Zug an der Küste entlang. Irgendwo habe ich im Internet einen Busfahrplan auf Japanisch gefunden, ihn mit Google Translator übersetzt und fotografiert. Anscheinend soll es von hier einen Bus nach Charmant geben. Zunächst stehen wir aber mal wieder recht verloren in der Gegend rum. Reichlich deplatziert mit Lawinenrucksack und Ski. All Schilder sind auf Japanisch, kein Mensch weit und breit, geschweige denn Schnee. Irgendwann kommen zwei Schüler mit Snowboards und stellen sich auf die andere Strassenseite. Ein gutes Zeichen. Ein noch besseres Zeichen ist das Geräusch von Schneeketten, als dann tatsächlich der Bus kommt. In einer Stunde geht’s in die Berge und wieder wächst der Schnee mit jeder Minute an.


Charmant entpuppt sich als übersichtliches aber recht modernes Ressort mit leider nur 400Hm Differenz. Es gibt eine kleine Gruppe Amerikaner, ansonsten aber nur jugendliche Snowboard-Locals. Es hat wohl kürzlich geschneit aber die Abfahrten unter dem Lift sind von den Snowboardern recht zerpflügt. Wir laufen Richtung Sidecountry-Gate als uns ein Neuseeländischer Guide anspricht. Wir müssten uns zuerst bei der Skipatrol registrieren und dürften ausserdem nicht einfach runterfahren, da uns sonst unerfahrene Snowboarder folgen könnten. Immer zuerst ein bisschen hochfellen. Wir registrieren uns also und gehen durch das Gate. Ein unverspurtes Tälchen lacht uns an und ohne zuerst aufzusteigen holen wir uns eine erste nette Powderabfahrt. Nicht schlecht, denken wir uns und machen noch ein paar. Irgendwann treffen wir auf eine geführte Gruppe Japaner, deren Guide uns auf Japanisch mehrere Minuten lang anschreit. Wir verstehen gar nix und schätzen mal, dass er nicht will dass wir im sidecountry fahren. Wo ist denn das Problem? Wir machen also den gleichen Run wieder, dieses Mal kommt im Lift eine Durchsage auf Englisch, dass man nicht ausserhalb des Ressorts fahren solle. Die scheinen es wirklich ernst zu meinen. Der guten internationalen Beziehungen wegen beschliessen wir also unseren SidecountryTag und machen noch einen halbstündigen Aufstieg auf einen kleinen Gipfel mit Meerblick. Ein gelungener Tag. Speziell nach den 3 Tagen in Hakkoda.


Ein weitere lange, abendliche Reise – in Stunden nicht in Luftlinie – bringt uns nach Madarao, wo wir in der Pension Alpenrose einchecken. Der Sohn der Familie spricht sehr gut englisch und kennt das Ressort sehr gut, so dass wir gleich die richtigen Tipps bekommen. Das Familienoberhaupt –ein richtiger Sensai – kümmert sich liebevoll um uns, bringt uns Essen und Getränke, und versucht immer wieder eine Konversation anzufangen obwohl er kaum Englisch kann. Leider gibt’s keinen Neuschnee, so dass der erste Tag in Madarao zum vergessen ist. Wir versuchen eine Abfahrt und bleiben in dem schweren Schnee fast stecken. Doch dann beginnt es endlich zuschneien. Immerhin 20cm über Nacht auf dem Balkon. Wir gehen ins Ressort. Der Einer-Sessel-Toplift eröffnet einigermassen steiles Treeski Terrain, leider sind die 20cm Neuschnee halt nicht wirklich genug, um ein richtiges Powdergefühl zu geben. Wir versuchens mal um die Ecke im Sidecountry und werden plötzlich mit einer 35° steilen Tree-line in 40cm Powder belohnt. Sehr geil. Geht doch, wer sucht der findet. Wir machen die Tour nochmal und nochmal, immer ein bisschen weiter rechts. Dabei geben wir uns Mühe, dass uns am Lift niemand sieht und folgt. Keep the Secret. Nach 7 Runs lassen wir es gut sein für den Tag. Es schneit wieder intensiv und wir freuen uns auf den nächsten Tag. Nächster Morgen, selbes Spiel –denken wir zumindest. Als wir gerade um unsere geheime Ecke gehen wollen, sehen wir vor uns eine 10er Gruppe Westler. Shit. Diese Jungs verspuren mit einem Run so viel Powder wie wir an einem ganzen Nachmittag. An der Talstation treffen wir uns mit Samuel und Thomas, die extra für den Tag nach Madarao gekommen sind. Wir kündigen schon mal an, dass es heute ziemlich schnell verspurt sein würde, und machen den ersten Run mit Ihnen. Die Zahl der Spuren hat sich in der Zwischenzeit vervielfacht, und es ist wärmer geworden, so dass der Schnee schon deutlich schwerer ist. Die Begeisterung der zwei hält sich in Grenzen. Nun zeigt sich, dass Madarao nur gut zum Powdern ist, solange man den Wald für sich alleine hat. Eine einzige grosse Gruppe, und das wars.



Sonntag, 1. Februar 2015

Japan - Myoko


Nachdem Curly und ich bestimmt 3 Jahre darüber gesprochen haben, irgendwann einmal nach Japan zum Skifahren zu gehen, sitzen wir doch eines Donnerstags Abends tatsächlich im Flugzeug nach Tokyo. Die Vorfreude ist enorm und der Schneesturm bei der Zwischenlandung in Paris stimmt uns schon mal auf die Unmengen an Powder ein, die wir erwarten.


Unseren riesigen Skibags scheint es in Paris gleich so gut zu gefallen, dass sie den Weiterflug nach Tokyo verpassen. Ziemlich bedröppelt stehen wir also 12h später am dortigen Bagagge-claim. Gleich drei zierliche Japanerinnen kümmern sich unter grossem Kichern um uns, und versuchen herauszufinden wo die Airline die Ski hinbringen soll. Die Tatsache, dass wir eine Rundreise mit nächtlich wechselnden Hotels gebucht haben, scheint sie dann doch sehr herauszufordern, und das Kichern wird immer stärker. Ob es wohl breite Leih-Ski gibt in Japan? Schliesslich erklären wir uns bereit, die Ski am nächsten Tag eigenhändig am Flughafen abzuholen, um das Risiko zu minimieren.


Wir verbringen die Nacht und den nächsten Vormittag in Yokohoma mit schlafen, sight-seeing und ziemlich viel U-Bahn fahren. Es ist kalt und sonnig und die Aussicht vom höchsten Wolkenkratzer auf das Häusermeer von Tokyo-Yokohama ist gigantisch. Und über allem thront der majestätische Fuji. Am frühen Nachmittag dann zurück zum Airport, wo doch tatsächlich unsere Ski auf uns warten. Jetzt kanns losgehen, nächstes Ziel: Myoko.



Zuerst geht’s mit dem Shinkansen nach Nagano, wo wir in einen Regionalzug umsteigen. Als dieser einfährt, schlagen wir zum ersten Mal ein: Die Lokomotive ist so mit Schnee zugeklebt, dass man sie fast nicht erkennt. Bald verstehen wir auch warum. Auf der einstündigen Fahrt Richtung Japanisches Meer wächst der Schneeberg links und rechts der Gleise mit jedem Kilometer, den wir nach Westen fahren. Als wir in Myoko Station austeigen, sind es schon mal gute 1.5m Schnee – auf 500m Meereshöhe! Ein freundlicher Australier fährt uns vom Bahnhof zum etwas höher gelegenen Skiort. 2.5 m Schnee auf 700m! Wir checken erst mal den Skikeller unserer Pension, um die Competition einzuschätzen. Unsere Ski sind zwar die breitesten, aber etwas Wettbewerb gibt’s schon.


Yuri der Besitzer der Pension ist super nett, aber an die Ausstattung unserer Zimmer müssen wir uns erst mal gewöhnen. Kein Tisch, kein Stuhl, keine Betten – nur eine Matratze auf dem Schilfmatten-Boden. Sehr cool. Draussen schneits immer noch wie verrückt und eine Schneefräse macht sich an die Arbeit den Parkplatz auszugraben. Kein leichter Job bei 70cm Neuschnee in einer Nacht. Wir freuen uns wie Schneekönige auf den nächsten Tag.


Nach etwa einem Kilo Reis zum Frühstück am nächsten Tag machen wir uns fertig und laufen zum Lift. Dort macht sich dann ziemlich schnell Ernüchterung breit. 100m Schlange, mindestens 50% Westler, und fast alle inklusive den Japanern mit verdammt breiten Ski und Snowboards. Da fliegt man um die halbe Welt, und es geht zu wie in Engelberg. Hilft nix, jetzt sind wir hier. Mit einer komischen eierförmigen Kleingondel geht’s nach oben und weiter mit einem Vierersessel. Raus aus dem Sessel und los geht’s, ab in unseren ersten J-Pow. Das Terrain ist nicht wirklich steil mit relativ dichtstehenden Laubbäumen. Schnee gibt’s ohne Ende. Nach nicht mal 10 Sekunden habe ich Curly schon verloren  - worauf ich aber jetzt keine Rücksicht nehmen kann. Überall zwischen den Bäumen sieht man bunte Punkte von Freeridern. Mit meinen breiten Born-to-Drops ist es nicht wirklich schwierig. Einfach geradeaus, und ja keinen Baum erwischen. Schon viel zu bald kommt ein kleines Tal und ich quere zurück zum Lift. Curly kommt ein paar Minuten später. Wir machen den gleichen Run mit Variationen noch ein paar Mal, bis wir konsterniert feststellen müssen, dass es nun doch schon recht verspurt ist – und es ist nicht mal 10 Uhr. Wir schauen uns an: Spassiges Treeskiing - ja. Der Oberhammer – nicht wirklich. Und schneller verspurt als in den schlimmsten In-Resorts der Alpen.






Wir probieren ein paar andere Lifte aus bis wir schliesslich einen finden, unter dem das Terrain deutlich steiler ist. Wir ducken uns unter dem Absperrband durch, und fahren einer Spur nach auf einem flachen dicht bewaldeten Rücken entlang, bis dieser nach allen Seiten in steilen Hängen abbricht. Vor uns liegt das Paradies: ein Hang – nur 100Hm, aber 45° steil, mit riesigen Pillows und sogar kleinen Spines. Und keine einzige Spur weit und breit. 

Ich droppe als erstes hinein. Es ist der Wahnsinn. Der Schnee ist so tief, dass er mir nach jedem Sprung bis über den Kopf geht. Nur dank der Steilheit und der breiten Ski geht es immer weiter. Der Schnee ist unglaublich fluffig und hält. Keine Anzeichen von Schneebrettern – nur Unmengen Sluff. Ein tief eingeschnittenes Tal führt zurück zur Piste. Ich bin so gestoked wie noch nie zu vor. Wie geil war das denn. Curly kommt, auch er mit einem Ausdruck von 'Ich-kann-nicht-glauben-wie geil-das gerade-war' in den Augen. Zurück zum Lift, wieder hoch, gleicher Run nochmal und nochmal und nochmal. Jedes Mal eine kleine Variation, jedes Mal eine neue Line. Wir sind fast komplett alleine. Wo sind denn all die Freerider hin? Nach 8 Runs meint Curly er wolle sich wegen seiner Erkältung schonen und zurück in die Pension gehen. Bitte? Vergeblich versuche ich ihn zu überreden. Dann halt alleine weiter. Am Ende des Tages bin ich den Run 25 Mal gefahren. Eine Line besser als die andere. Besonders in Erinnerung bleiben diese: eine Pillowline mit 4 jeweils 2m hohen Pillows in 45° Gelände. Mut zusprechen, Skier gerade stellen und los … hop, hop, hop, hop. Und natürlich die Drops über die Lawinengitter, die nicht nur komplett mit Schnee gefüllt, sondern auch noch 1m überwächtet sind. Mit ein bisschen Speed gibt das einen respektablen Drop von 6-7m. Beim Bier am Abend habe ich immer noch nicht aufgehört zu grinsen – einer der Top5 Tage meiner Skikarriere
.




Die Nacht bringt nur 20cm Neuschnee, und wie zu erwarten habe ich meinen gestrigen Run so zerfahren, dass er sich nicht mehr lohnt. Zum Glück haben wir uns eine Karte mit Höhenlinien besorgt, und zusammen mit Google Earth herausgefunden wo die steilsten Stellen im Sidecountry sind. Wir traversieren an den rechten Rand des Ressorts und stehen wieder vor einem respektablen Steilhang mit einigen Cliffs. Die Sicht ist nicht ganz perfekt und ich rutsche eine enge Ringe erstmal seitlich ab. Dann öffnet sich das Terrain. Ein kaum bewaldetes Tal mit schönen 30° Hängen und keine Spur weit und breit. Wir lassens krachen und cruisen in big-turns nach unten bis wir an eine Strasse kommen, auf welcher wir zurück Richtung Ressort traversieren. Irgendwann kommen ein paar andere Spuren dazu und wir treffen zwei andere Freerider, die statt Lawinen-Airbags Walkie-Talkies und Trillerpfeifen haben – macht eigentlich Sinn beim Treeskiing. 


Dann verschwindet die Spur plötzlich in einem Tunnel. Der Eingang ist noch leicht, der Ausgang nach 100m aber komplett mit Schnee gefüllt. Nur ein schmaler Tunnel – gerade breit genug für eine Person-  führt fast senkrecht etwa 2 Meter nach oben ans Licht. Curly kämpft sich hoch, ich reiche ihm die Ski nach, dann komme ich nach. Wiedermal ein Beweis dass Japan einfach viel mehr Schnee hat. Mittags treffen wir uns mit Samuel und Thomas, zwei Schweizer Kollegen, die im benachbarten Hakuba vor den Massen geflohen sind. Mit ihnen machen wir den Tunnel-Run noch mehrere Male, was wegen des beschwerlichen Rückwegs aber immer seine Zeit braucht.





Am dritten Tag scheint zum ersten mal die Sonne. Neuschnee hats keinen. Zusammen mit Samuel und Tomas montieren wir also die Felle und gehen vom höchsten Punkt des Ressorts etwa 400Hm zu einem Vorgipfel des Mount Myoko. Unterwegs überholen wir bestimmt 50 Leute, die teils Bootpacken oder aber zum ersten Mal auf einer Skitour zu sein scheinen. Während alle entlang der Aufstiegsspur zurückfahren, droppen wir auf der anderen Seite in den Wald. Ein 1000Hm Run durch unverspurten Wald bringt uns links des Ressorts nach unten, bis wir zurück traversieren können. Keine Wow-Abfahrt aber doch sehr cooles Treeskiing. So muss man es machen in Japan. Ein bisschen off-the-beaten track und man ist komplett allein. Wir machen die Tour gleich nochmal, dann müssen Curl yund ich zurück zur Pension – packen. Für den Abend haben wir eine lange Weiterreise vorgesehen: über Nagano und Tokyo in 6h nach Aomori an die Nordspitze der japanischen Hauptinsel Honshu.