Samstag, 7. Juni 2014

Aletschhorn Nordwand - der würdige Saisonabschluss

Seit Wochen geht es eigentlich mehr oder weniger darum, einen würdigen Abschluss dieser genialen Skisaison zu finden. Dieses mal sehen die Bedingungen schon mal gut aus. Immer wieder ein paar cm Neuschnee, dazu gutes Wetter für das Wochenende. Dani und Nic legen sich ziemlich schnell auf das Aletschhorn fest, was uns die tagelange Diskussion von Alternativen erspart.
Kurz vor der kleinen Scheidegg bricht die Jungfraujochbahn durch die Hochnebeldecke. Eiger Westflanke, Mönch Nollenroute und Silberhorn Nordwand glitzern so weiss, dass wir fast doch nochmal umüberlegen. Spätestens aber, als wir nach einstündigem Aufstieg vom Joch am Louwitor ankommen, wissen wir, dass der Plan aufgehen sollte. Die gesamte riesige Eismauer zwischen Dreieckhorn, Aletschhorn und Sattelhorn präsentiert sich blütenweiss. Nur hier und da zeigen sich kleine umgehbare Blankeisstellen. Fast schon machen wir uns sorgen dass der Aufstieg über die Haslerrippe eventuell zu tiefen Schnee haben könnte - Luxusprobleme. Ein Buttersulzabfahrt bringt uns hinunter auf den Aletschfirn, und während der einstündigen Wanderung Richtung Hollandiahütte haben wir genügend Zeit die Aletschhorn Nordwand zu studieren - das anvisierte Saison Highlight. Besondere Aufmerksamkeit und dementsprechend viele Fotos bekommt die Ausfahrt vom Hängegletscher in die Exitcouloirs. Wenn man die verpasst, stünde man in einer Sackgasse über riesigen Seracabbrüchen.
Ich bin nicht ganz zufrieden, weil ich keine Lust habe die nächsten 6h auf der Hütte rumzusitzen, wenn Wetter und Bedingungen so genial sind. Gegenüber leuchtet die 600m Nordwand des Sattelhorns, eine wunderschöne Linie. Langsam formt sich ein Plan. Nic und Dani wollen sich für den nächsten Tag schonen, so dass ich um 14.30 schliesslich allein in die Wand einsteige, während die anderen von der Hütte gegenüber zuschauen. Wider Erwarten ist der Schnee nicht pulvrig locker sondern recht harter Trittschnee. Nur 10cm sinke ich ein. Immerhin perfekt für den Aufstieg. Auf 3400 komme ich plötzlich auf hartes Blankeis durch. Zu heikel. Leicht absteigend traversiere ich 30m nach rechts, dann gehts weiter nach oben. Der Schnee wird immer pulvriger und ich freue mich auf die Abfahrt. Nach 2.5h stehe ich auf dem Grat zwischen Sattelhorn und Klein Aletschhorn und bereite mich für die Abfahrt vor. Die oberen 200Hm sind der Wahnsinn. 45-50° in 20cm Pulver. Wow. Der Rest ist leider härter und entsprechend schwieriger aber doch zügig zu fahren. Anyway, ein lohnender Nachmittagsausflug. Nach 100Hm Gegenanstieg bin ich dann auch endlich bei der Hütte. Ich schlage den anderen vor, am nächsten Tag die Traverse Sattelhorn Aletschhorn zu machen. So könnten wir meiner Spur durch die Wand folgen, anstatt die Haslerrippe neu einzuspuren. Ausserdem ergibt das natürlich eine sehr elegante Überschreitung. Nach längerer Diskussion sind die anderen überzeugt.

Sonntag morgen um 4.30 starten wir mit aufgebundenen Ski also wieder in die Satellhorn Nordwand. Meine Spur ist natürlich halb zugeschüttet, trotzdem geht der Aufstieg schnell und nach 2h stehen wir - diesmal zu dritt - auf dem Grat. Die Sonne geht auf, wegen Schleierwolken und Morgenrot ergibt sich aber eine etwas düstere Atmosphäre. Ein älterer Einzelgänger war 1h vor uns von der Hütte gestartet, um auf der gleichen Route das Aletschhorn zu besteigen. Ohne Ski und mit leichtem Rucksack ist er unglaublich schnell unterwegs, und nur als kleiner Punkt am Ende des Grats zu erkennen. Ganz so schnell sind wir mit Ski auf dem Rucksack nicht, kommen aber in seiner Spur doch gut voran. Ein exponierter Ab- und Wiederaufstieg auf dem schmalen Grat führen uns auf das Gipfelplateau des Klein Aletschhorn. Für kurze Zeit wird der Grat breiter und wir können etwas durchschnaufen. Dann beginnt allerdings die Traverse in den obersten Teil der Aletschhorn Nordwand. Direkt am Grat gibts zu viel Blankeis, aber unser Vorspurer hält auf ein eingeschneites Felscouloir in der Wandmitte zu. Und siehe da, in perfektem Trittschnee geht es durch das steile Couli. Nun folgen 50Hm mit Blankeisstellen. Dani fühlt sich unwohl, da seine Steigeisen sich etwas verwinden. Schliesslich packen wir Seil und Schrauben aus, und überwinden auch diese Stelle. In der Mitte des Blankeises kommt uns der Einzelgänger abkletternd schon wieder entgegen. Krasser Dude. Nach insgesamt 6h Skitragens sind wir dann aber doch tatsächlich am Gipfelplateau und Skidepot. 15min über den kurzen aber exponierten Grat nach oben und wir stehen gefühlt on top of the world. In alle Richtungen kommt lang nichts höheres. Stoked, schon vor der Abfahrt.
Um 11.45 klicken wir auf 4150m in die Bindungen. Was folgt ist eine der spektakulärsten Abfahrten, die ich je gemacht habe. Bis 3900m folgen wir dem breiten aber steilem Ostgrat in bis zu 30cm Pulver. Der erste Bergschrund muss gedropped werden - mit einer butterweichen Landung. Noch ein paar Turns mit grossen Radien bis wir schliesslich nach links in die direkte Nordwand einbiegen. Vor uns liegen weitere steile 1000Hm und der Schnee sieht genial aus. Die wirklichen Dimensionen dieser Wand werden einem erst bewusst, wenn man ganz unten auf dem Aletschfirn andere Tourengänger als winzig kleine Punkte erkennt. Wir heizen den Hängegletscher nach unten. 3 Mal kurz unterbrochen von Querspalten oder Engstellen, die sich aber dank der Schneelage allesamt ohne Probleme überwinden lassen. Langsam wird der Schnee härter und man muss sich mehr konzentrieren. Obwohl es selten >45° also nicht ultra steil ist, ist man sich der Exposition über den Serakabbrüchen doch bewusst. Auf 3400 kommt dann die Traverse nach links. 3 Möglichkeiten hat unsere Fernrecherche vom Vortag ergeben. Ich versuche die obere, die einen heiklen seitlichen 1m Drop in steiles Gelände enthält. Geht ganz gut, stellt sich aber als unnötig heraus, da die zweite Option 30Hm weiter unten ohne Stufe fahrbar ist. Die anderen kommen durch diese zu mir ins Exitcouloir. Wir befinden uns nun neben dem Hängegletscher, dessen seitliche Eismauer sich wie ein hochhausgrosses Eismonster über uns aufbaut. Faszinierend aber doch recht gefährlich. Weg von hier. Die 300Hm des Exitcouloirs sind hart und verlangen noch einmal voll Konzentration. Schliesslich spukt die Wand aber einen nach dem anderen auf den weiten Boden des Aletschfirns aus. Mit erhobenen Armen nehmen wir noch Schwung mit, bis wir schliesslich zum Stehen kommen. Die Anspannung fällt ab und wir drehen uns zu der Riesenwand um, in der nun ganz klein unsere Spuren zu sehen sind. Oh ja. Sogar Nic ist stoked.
Was bleibt sind eine ausgedehnte Pause mit Minestrone, 20min Gegenaufstieg zur Lötschenlücke, 10min Sulzcruisen zum Ende des Langgletschers und eine nichtendenwollende Wanderung auf dem Sommerweg bis zur Fafleralp, wo dann definitiv Sommer ist.

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