Nach mehr oder weniger schlafloser (ich) bzw erholender durchschnarchter Nacht (Valery) im Salbit Biwak lassen wir es morgens ruhig angehen, und machen uns erst um 9 auf zum Westgrat-Turm. Doch egal wie lang wir auch suchen, ein vernünftiger Einstieg in die GKG (7a) lässt sich nicht finden. Der erste BH ist auf ca 15m, darunter eine glatte, vom Schnee verschmutzte Platte ohne Sicherungsmöglichkeit...? Wahrscheinlich ist das eher ne Route für den Juni, wo man über ein Schneefeld bequem bis zum ersten BH hoch können sollte.
Anyway. Also nix mit Westgratturm, dafür wieder rüber über die Hängebrücke zur Südwand der Südgrattürme. Ziel: Villigerpfeiler. Der Einstieg ist schnell ausgemacht, der Schock kommt aber erst als wir das 20m breite Schneefeld überquerst haben und vor einer 1m breiten, aber verdammt tiefen Randkluft stehen. Zur STeigerung der Motivation werfen wir das eine Seil hinüber auf die kleine Platform im Fels. Nach gefühlten 30min diskutieren, Absprungstufenschlagen, und Überwinden springe erst ich in Parcours-Manier (heisst mit 2 Beinen gleichzeitig, Hände an die Kante der Schuppe, hoffen das nassen Sohlen nicht auf der Schuppe wegrutschen) hinüber, und falle tatsächlich nicht in den Abgrund. Valery landet zur Sicherheit ein Bein links eines rechts der Schuppe, wobei die Titanplatte im Knöchel sicher hilft, sich den selben nicht zu verknacksen. Um 11 kanns dann endlich losgehen. Der ganze Berg versteckt sich hartnäckig in der einzigen Wolke der Innerschweiz und wir frieren gewaltig.
SL1: 5c, kurze, anstrengende Länge, mit bisschen Schrubben, die bezüglich der masslosen Untertreibung des Schwierigkeitsgrades gleichmal den Tarif für die Route durchgibt. (eher 6a)
SL2: 6a. Die 60 Grad Verschneidung. Erstmal den 2 BH nach rechts der Verschneidung hochgepiazzt, und weils grad so gut geht verpasse ich den Übergang um 5m. Also alles wieder zurück piazzen (schwitz, schwitz), Aufregen, dass der 2 BH so weit oben und soweit rechts platziert ist, und dann mit einem schönen Bouldermove um die Kante rum in die Verschneidung. Dort super Kletterei, erst richtig kaminig, dann cooler Handriss, wieder kaminig, zum Schluss noch etwas Wandkletterei. Der Handriss ist unnötiger weise komplett zu gebohrt, dafür haben sich die Sanierer dann die Bohrhaken am Stand gespart. Dieser besteht also unverändert aus 2 BH von 1980, die sich immerhin mit einem 3er Cam im moosigen Riss rechts unterstützen lassen. Abseilen will ich hier definitiv nicht, komische Sanierungs-Logik.
SL3: 6a+. über den Überhang hoch, dann lange Plattenkletterei mitkleinen Fingerrissen, die mir mit tauben Fingern und Füssen, verdammt schwierig vorkommt. (eher 6b).
50m Gehgelände bis zur Headwall. Die grosse Verschneidung ganz rechts ist Clock&Stock, eine Links davon ist die richtige. Gut erkennbar am nicht sanierten Stand, mit sanierten BH danach.
SL4: 6a+:. Sehr geile Länge. An diagonalem Riss nach rechts oben, wo ein fast senkrechter 10m Fingerriss ansetzt. Über diesen mit viel Gefühl, Mini-Griffen und Tritten nach oben. Ein Microcam C3 000 hilft der Psyche. Den Onsight versaue ich mir, als mir nach 5m einfällt, dass ich meine Zustiegsschuhe auch hätte am Stand lassen können, und wieder zurück kletter. Nach 10m fängt dann die charakteristische 100m Verschneidung an. (eher 6b+)
SL5: 5c+. Doppelriss im Verschneidungsgrund, deshalb relativ leicht. nach der Hälfte nach rechts in den Riss abbiegen. Mittlerweile haben die alten Stände immerhin einen neueren Zusatzbohrhaken.
SL6: 6b. Die Todeslänge. Erst 10m schönes Piazzen zurück in die Verschneidung, dann gehts los. 10m den seichten Fingeriss im Verschneidungsgrund irgendwie hoch. Piazzen wäre möglich, dann wirds aber ein unschönes Geschrubbe. Mit beiden Füssen im Riss gehts eigentlich ganz gut, wirkliche Griffe hats halt keine. Dann kommt der Überhang. 2m senkrechtes bis überhängendes Piazzen, bis man sich dann per Chickenwing in den breiten Riss darüber klemmen kann. 3mal hänge ich im Seil. Ist das so schwer oder bin ich einfach nicht fit heute? Danach wie gehabt im seichten Fingerriss weiter, biss ich dieser plötzlich auf Offwidth verbreitert. Mir schwant schon was nun kommt, passender Weise ist der letzte BH natürlich nicht saniert, von diesem dann ein 5m runout durch den Offwidth bis zum Stand. Kurz Optionen gecheckt: keine Lust an dem 30Jahre alten BH abzuseilen, es muss also nach oben gehen. Erinnerungen an die Conquest werden wach, sieht verdammt ähnlich aus das Stück. Diesmal aber schlechter abgesichert. Kurz rege ich mich auf, dass wir den 4er Cam im Auto gelassen haben, realisiere dann aber, dass man hier eh einen 5er bräuchte.
Naja. Hilft alles nix. Einen Versuch will ich wagen, solange ich in BH Höhe bin, wenns nicht klappt dann halt irgendwie runter. Die neue Goretex Jacke zieh ich lieber aus und hänge alles was stört, nach links aussen an den Gurt. Und irgendwie klappts dann tatsächlich. Rechtes Bein im Riss verklimmt, rechter Arm immer abwechselnd Chickenwing und Armbar, linkes Bein und linker Arm irgendwie an die Strukturen der linken Wand drücken. Nach ewiger Zeit und etwa 3m kommt dann ein Griff und man kann aus dem Riss raus. Chacka. (eher 6c)
SL7: 6a. Wieder ein stumpfer, seichter Fingerriss. Diesmal allerdings auch noch mit recht viel Gras. Ich bin gleich nochmal mit Vorsteigen dran, da Valery erstmal vom Offwidth regenerieren muss. (eher 6b).
SL8:6a. In athletischer Kletterei am Dach entlang, um die Kante und noch 20m 5c gepiazze zum Stand mit Muniring. Valery ist zwar komplett fertig und blutet in Strömen an Knöchel und Hand, wills aber trotzdem versuchen. Irgendwie ist er aber auch psychisch nicht mehr genug da, und kommt nach 5m wieder runter. Mittlerweile ausgeruht, gelingt mir die Länge recht easy.
2 Längen fehlen noch bis oben und die Uhr zeigt 5 Uhr. Merde. Zu viel Zeit verschwendet schon den ganzen Tag. Dann also Abseilen an den Muniringen der Piste. 5 mal bis zu den Schuhen und noch 3 Mal über den unteren Teil bis in die Randkluft. In dieser irgendwie weiter, bis man zum Einstieg des Villigerpfeilers kommt und sich auf das Schneefeld hochziehen kann. Mittlerweile regt mich alles ziemlich auf, und die Tatsache das meine Stöcke nicht mehr am Schneefeld neben der Randkluft stehen sondern wohl rein gefallen sind macht die Laune auch nicht besser. Immerhin finde ich den einen am Ende des Schneefelds wieder, der andere braucht wohl noch etwas Global Warming. Fehlt also nur noch der ewige Abstieg zum Auto.
Fazit: heftige Tour. Nach moderner Bewertung könnte man fast jeder SL einen bis anderthalb Grade drauf geben. Auch im Vergleich zu den anderen Granit Touren aus dem EXTREM-Ost (Hammerbruch, Eisbrehcer, Conquest) , ist der Villigerpfeiler wesentlich zu tief bewertet. Die Kletterei ist durchwegs athletisch und man braucht wirklich das gesamte Granit Technik Repertoire. Dafür ist die Linie absolut genial, logisch und die Kletterstellen sind absolut obligatorisch und nicht so gesucht wie bei benachbarten Touren. Unbedingt nochmal machen, dann aber mit Sonne und etwas früherem Einstieg.
Pro Seillänge kann und muss man nicht viel mehr als 2-3. Cams legen. Das komplette Rack Cams ist aber trotzdem nötig, da man jeden irgendwann mal braucht. Die Art der Sanierung verursacht des öfteren etwas Kopfschütteln.