Gefühlt über hundert
Mal bin ich schon mit dem Zug oder Auto am Walensee entlang gefahren und habe
zu den eindrücklichen Südwänden der Churfirsten hinauf geschaut – wohlwissend
dass eigentlich nur der mittlere der sieben, der Zuestoll guten Fels zum Klettern
bietet. Nun war es endlich soweit, dort einmal selbst Hand anzulegen. Das Ziel:
der Neoklassiker Chico Mendez, 7a.
Gemeinsam mit Timm
geht es mit 3 verschiedenen Zügen, einem Postauto, einmal Sessellift und etwa
einer Stunde Zustieg auf die Palisniederi, den Sattel zwischen Zuestoll und
Brisi. Hier öffnet sich der Blick auf den 1500m tiefer gelegenen Walensee und
nach links in die verdammt eindrückliche Zuestoll Südwand. Die Traverse zum
Einstiegs-Balkon ist ausgesetzt aber mit Seilen versichert. 4 Seilschaften sind
schon in anderen Routen zu Gange, unsere ist frei. Während über den Glarner
Alpen die Föhnwalze hängt, haben wir Sonne pur und leichten Wind. Nach einer
3er Länge über den leicht grasigen Vorbau geht’s nun aber ganz gewaltig los.
2.SL 6b: Recht
konstant im 6b Bereich steige ich den Pfeiler in Richtung erstes Dach vor.
Immer wieder muss von links nach rechts gewechselt werden, um die Seitgriffen
bedien zu können. Gar nicht so leicht die richtige Sequenz zu sehen. Die
Hakenanstände sind OK aber doch fordernd. Ausserdem muss ich mich erst mal
wieder an die Kalkkletterei gewöhnen. Crux ist ein Aufsteher, bei dem ich mich
doch erst mal überwinden muss.
3. SL 6c: Timm
steigt wie immer souverän vor, meckert allerdings etwas darüber dass es auf den
ersten 10m eigentlich nur Untergriffe hat. Im Nachstieg geht’s recht gut.
Zuerst diagonal nach links hoch, immer wieder mit viel Körperspannun g an guten
Untergriffen auf Reibung antreten und hochlaufen. Dann eine –oh wunder-
Untergriff-Traverse nach rechts über dem Überhang, wo man einigermassen stehen
und schütteln kann. Crux ist wiedermal ein plattiger Aufschwung bevor es
leichter wird. Kurz vor dem Stand noch einmal ein boulderiger Move in einer
kleinen Verschneidung.
4. SL 6a: Ein
steiler Aufschwung wird an erstaunlich grossen Griffen überwunden. Geht alles,
aber irgendwie strengt es mich doch recht an heute, und ich bin immer wieder
einigermassen gepumpt. Der Flow will nicht so richtig aufkommen. Kurz vor dem
Stand muss ich gar 3 mal wider abklettern und schütteln bevor ich mir den Move
an zwei eher schlechten Seitgriffen zutraue. Hm.
5. SL 6a:
Fulminanter, männlicher Start an einem Überhang mit immerhin recht guten
Griffen. Nach nicht mal 20m ist die SL dann aber auch schon fertig, damit der
Standplatz noch auf dem Grasband ist.
6. SL 6b: Das nun
folgende Gemäuer sieht beindruckend steil und kompakt aus. Aber irgendwie
schiebe ich mich Stück für Stück nach oben. Immer wieder eine kleine Leiste
hier, eine runde Delle zum Stehen dort. Nach etwa 15m kommt die Crux. Ich
zögere so lange bis mir schliesslich der rechte Fuss wegrutscht und ich 2m
tiefer im Seil hänge verdammt, das war unnötig. Wieder hoch jetzt aber.
Hochantreten, irgendwie aufstehen, und sich nach links auf ein paar guten
Tritten etablieren. Jetzt ein Bohrhaken wär cool, der kommt aber leider erst 1m
weiter oben. Kurzer Anflug von Panik, muss irgendwie gehen. Tatsächlich ist es
aber nur noch ein Move bis zum Riesenhenkel neben dem Bolt. Entwarnung.
Anhaltend geht es weiter. Eigentlich super Kletterei, aber irgendwie erholen
sich meine Unterarme nicht mehr so richtig. Einmal muss ich zum Klippen doch so
gar in die Schlinge greifen, weil meine linke Hand den grossen Griff einfach
nicht mehr halten will. Timm fands dann natürlich nicht so schwer. Danke.
7. SL 7a. Erst eine
steile Schuppe gefolgt von einer spektakulären Traverse nach rechts. Dann
verschwindet Timm ums Eck und das Seil bewegt sich erst mal ziemlich lang gar
nicht mehr. Irgendwann vernehme ich ein gedämpftes 'Aufpassen' , dann wieder
lange nix. Nach für einer für Timm'sche Verhältnisse halben Ewigkeit, scheint
er aber drüber zu sein und ist nach ein paar Metern am Stand. Warum er solange
gebraucht hat, merke ich dann aber, als ich im Nachstieg selbst an der Stelle
stehe. Rechts draussen noch ein schöner Seitgriff, zum Ausruhen, den man aber
auch gar nicht mehr loslassen möchte, da auf den nächsten 2m wirklich gar nix
gescheites kommt. 'Nimm den Sloper links' ruft er mir von oben zu. Welchen
Sloper bitte? Mit den Füssen kann man einigermassen antreten, sich dabei aber
auch wirklich an gar nichts halten. Mit ein bisschen Seilzug gegen's
Nach-Hinten-Kippen geht’s es irgendwie. Im Vorstieg frei – keine Chance.
8. SL 6a. Ich bin
wieder dran. Ein 20m cleane Rissverschneidung. Sieht steil aus, mit Spreizen,
Handklemmern und ein paar Piazmoves geht’s aber easy und lässt sich auch super
mit Cams absichern. Zum Zeitsparen hänge ich die letzte leicht brüchige SL
gleich noch dran, in der man wirklich verdammt aufpassen muss, seinem Partner
nix auf den Kopf zu schmeissen. Dann Stand am Gipfelkreuz, welches extrem
wackelt, und eigentlich nur in einem Schutthaufen steckt. Viele Alternativen
gibt’s aber nicht. Ich bitte also die zwei anderen Kletterer ihre Gipfelrast zu
unterbrechen und sich von der anderen Seite ans Kreuz zu hängen. Ich halte
Timm, das Gipfelkreuz mich, und die zwei das Kreuz. Sollte gehen. Die
Sturzwahrscheinlichkeit in diesem Grad hält sich allerdings in Grenzen.
Um 16.10 ist Timm
dann oben zum Handshake. Fast im Zeitplan. Leider fährt der letzte Sessellift
um 17 Uhr und uns trennen noch 850Hm von der Station. Wir machen uns also
zügigst an den Abstieg und gehen trotz Kniebeschwerden irgendwann zu Joggen
über. Trotzdem sind wir am Schluss 7 Minuten zu spät, was uns der Liftmann schon
von weitem durch Schwenken der arme bedeutet. Dass der Lift pünktlich schliesst
und wir zu spät sind, gehört aber ebenso zu den Schweizer Alpen, wie die
Ausnahme, die er uns nach viel Betteln
einräumt und uns doch noch ins Tal kutschiert.
Insgesamt eine super
Klettertour. Hart bewertet. Im Vergleich zu anderen Gebieten könnte man auch
überall ein + dazu geben. Super Fels, spektakuläre Exposition hoch über dem
Walensee und der richtige Ort bei Südföhn. Ausserdem die nichtganz neue Erkenntnis,
dass man wesentlich besser klettert wenn man jede Woche 3 Mal klettern geht
(Timm) als wenn man sich abwechselnd in Firnwänden, Bikeparks oder auf
Hochzeiten rumtreibt (ich).
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