Schon seit
Erscheinen des Extrem Ost Führers schiele ich auf diese fünf Sterne Route. Aber
irgendwie klappt es nie. Valery meint, dass es für einen Tag viel zu weit sei,
aber zwei Tage am Stück muss man erst mal haben. Da ich die diesjährige
Klettersaison aber unbedingt mit einem schönen Projekt abschliessen will,
dränge ich weiter auf die Route. Mittlerweile ist es Mitte Oktober und die
Nächte sind so kalt, dass Valery auch keine Lust mehr auf biwakieren hat, und
schliesslich einem Eintäger zustimmt. Um halb 5 geht’s also in Zürich los, durch
schwärzeste Nacht 2h15 bis zum Parkplatz am Zervreila Stausee. Um halb 9 sind
wir am Einstieg. 4h Tür bis Einstieg sind schon verdammt viel, aber eigentlich
auch nur eine Stunde mehr als an die Graue Wand, ins Rätikon oder in die
Wendenstöcke. Eigentlich könnte es nun losgehen aber eine Wolke verdeckt die
noch tiefstehende Sonne. Die Temperatur ist um die 0 Grad, der Fels eiskalt.
Keine Chance auf schwierige Kletterei. Wir essen, warten und machen
Aufwärmübungen. Langsam kommt die Sonne durch und Valery steigt um 9 Uhr 15 in
Länge 1 ein.
1.SL – 6b. Nach
einem etwas komischen Einstieg kommt eine lange Piazschuppe. Recht grosse
Griffe und immer wieder ein guter Trittmachen das ganze aber doch recht leicht.
2.Sl – 6c. die
plattige Linksquerung geht gut, ebenso die beiden folgenden Aufschwünge. War
das schon die 6c Stelle? Nein, die scheint jetzt zu kommen. Ein guter Rastpunkt
zum klippen. Die nächsten 3m habens aber in sich. Ein kleiner Riss zieht durch
die kompakte Platte nach oben, der nach links drei schlechte, runde
Fingerkuppen-Seitgriffe bietet. Sonst nix. Die Füsse müssens also richten. Und
genau hier beginnt mein Problem. In Erwartung von Risskletterei jeder Breite
habe ich meine super gräumigen Sportiva TC Pro Schuhe mit ihrer dicken
unsensitiven Sohle an. Kombiniert mit eisigen Zehen fühle ich so gut wie gar
nichts und habe ständig das Gefühl abzurutschen. Schlechte Perspektive für
einen Reibungsaufsteher fast ohne Griffe. Immer wieder setze ich an, und
kletter wieder ab. Für einen kontrollierten Zug müsste ich die Füsse wesentlich
höher bekommen, aber es hält einfach alles nicht. Schliesslich versuche ich es
mit einem Dynamo an den Henkel oberhalb des Risses. Ich komme zwar hin, aber
der Henkel ist leider gar keiner sondern ein Sloper und schon rutschen mir die
Füsse weg, Abflug. Valery beschwert sich mittlerweile über seinen unbequemen
Hängestand und ich greife schliesslich in die Schlinge. So ein Scheiss. Im
Nachstieg steigt Valery die Stelle mit seinem extra kleinen Miuras recht easy
durch und sagt man müsse einfach gut auf Reibung antreten. Tja. Hatte ich mir
auch gedacht.
3.SL – 6b A0/7a+.
Wieder eine plattige Länge, diesmal ist aber der Plattenliebhaber dran. Bis zum
letzte Bolt ist es schon mal nicht ganz trivial. Valery bedient sich um
Vorstieg der Pendeloption zur Kante. Ich versuche es im Nachstieg direkt. Mit
viermal Hängen, Schauen und Tritte markieren geht’s irgendwie.
4.SL – 6c. Erst
einmal ein mühsamer weil etwas heikler Aufsteher auf die schmale schiefe Rampe.
Nicht wirklich schwer aber wenn man hier fällt, geht’s zwei Meter direkt aufs
Band. Ich zitter mich hoch. Der folgende Riss ist zwar geschlossen, eine kleine
Schuppe rechts davon bietet aber genug Griffe zum Piazzen. In der Mitte werden die Griffe kurz recht klein,
dann ist aber schon vorbei.
5.SL – 6b. Eine
eindrückliche steile Verschneidung stellt sich in den Weg. Versehen mit
scharfen Splittercracks ist der erste Überhang aber kein Problem. Nun steht man
unter einem kleinen Dach und muss irgendwie nach rechts ums Eck. Auch im
Nachstieg recht schwer. Hat man aber erst mal den Fuss oben auf der Leiste,
geht’s gut. Danach eine feingriffige Balance Querung nach rechts und etwas
Wandkletterei an Löchern und Kristallen.
6.SL – 6c.
Amerikanisch anmutende Kaminverschneidung. Valery freut sich nicht vorsteigen
zu müssen und ich bereite ihn schon mal auf eine etwas längere Standphase vor.
Die Seillänge bietet so ziemlich das gesamte Kletterspektrum. Mit einem
scharfen Handriss geht es los. hinein in den Kamin. Dieser ist hier noch
parallel und mittelbreit so dass man mit Knie-Rücken-Technik eigentlich
ziemlich stabil steht. Ich hänge mir mein Zeugs von hinten an die linke Seite
des Gurtes arbeite mich langsam höher. Eigentlich geht’s super aber ich weiss
nicht recht wohin. Ich erinner mich irgendwo gelesen zu haben, dass man nach
links raus müsse. Aber jetzt schon? Die Stelle biete sich an und Gehen würde es
schon. Nur in den Kamin zurück käme ich sicher nicht mehr. Ich lege einen
kleinen schlechten Cam in der linken Wand und schiebe mich rüber auf die Kante.
Und tatsächlich ein wunderschöner Handriss durchzieht die Kante in dem es zügig
5m nach oben geht. Ein Vorsprung rechts vom Kamin lädt zum Spreizen ein und ich
gelange zurück in den Kamin, der hier breit genug ist für Rücken rechts und
ausgestreckte Beine links. Was fehlt ist eine Sicherungsmöglichkeit. So
amerikanisch die Kletterei auch sein mag, wir sind immer noch in der Schweiz.
Da muss was sein. Schliesslich entdecke ich den Bohrhaken an der rechten Wand
über meinem Kopf (Puh), und zwei weitere 5m und 10m höher oben. Uiuiui. Das
wird ein verdammter Runout. Der Kamin wird wieder enger und zudem flaring. Ich
versuche es im Kamingrund wo man zumindest einen 3er Cam ab und zu unterbringen
könnte. Dafür ist es nun wirklich eng. Rechter Fuss Hell-Toe-Jam linkes Bein
Knie. Hält einigermassen aber höher schieben ist mühsam und ich rutsche immer
wieder ein Stück ab. Und das jetzt 5m weiter? Panikanflug. Obligatorische Kamine
gibt’s in der Schweiz doch gar nicht, es muss irgendwie anders gehen. Ich
kletter wieder einen Meter ab und zurück nach aussen zum Bohrhaken. Mit viel
Kraft ziehe ich mich um die Ecke auf einen Vorsprung an der echten Wand. Und
wieder. Kleine Vorsprünge erlauben ein sicheres Vorankommen in Wandkletterei.
Nach weiteren 5 Metern wechselt man nach links, kurz zurück in den Kamin,
spreizen und wieder nach links raus. Dann ein kräftiges Finish an der Kante und
Mantle zum Stand. What a pitch. Onsight. Dafür aber gefühlt eine Stunde
gebraucht. Wenn man weiss wies geht und weniger suchen muss sicherlich auch
wesentlich schneller machbar.
7.Sl – 6b. Easy
Kletterei an der Kante und dann nach links zum Stand. Gerade aus gäbe es zwar
einen Traumriss aber links öffnet sich nun der Blick auf den Zick-Zack-Riss.
8.Sl – 6c.
Spektakuläres Schlussbouquet einer genialen Route. Wie ein grosser Blitz führt
der scharfe Riss durch die glatte Wand aus rotem Granit. Wahrlich ein Unikum. Perfect
Hands im ersten senkrechten Teil und auch in der Querung nach links. Dann
geht’s wieder nach oben und wird
breiter. Da ich eh nicht mehr onsight unterwegs bin, gönne ich mir eine kurze
unnötige Verschnaufpause. Mut zusammen nehmen hoch antreten und athletisch an
die Kante. Noch ein weiterer Schlüsselmove wartet. An der Kante des Risses
packen, irgendwie den Fuss hineinstopfen, links auf gar nix antreten und hoch
wo der Riss wieder waagrecht wird. Fuss im Riss höher schieben und zum
erlösenden Handjam. Ein paar Piazmoves und Jams weiter ist man am Stand. Sehr
sehr geil.
Die letzte 5c
schenken wir uns und seilen 4 Mal durch die Wand ab. 17 Uhr. Lang gebraucht,
was aber vor allem auf die Längen 2 und 6 zu schieben ist. Zügig geht srunter
zum See und etwas mühsam über den Gegenanstieg zurück zum Auto. 18.50 los, 21
Uhr in Zürich. Bis ich zu Hause bin wars ein 17h Tag. Viel Aufwand für 8 Seillängen
Klettern. Aber was für welche. Nicht komplett onsight aber alles in allem doch
OK. Gerne wieder. Schliesslich wartet noch die RP Begehung und es locken links
und rechts weitere Traumlinien. Was für ein Berg, was für eine genialer Fels.
Und das im Reich des Bündner Brösel-Schiefers.